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Informationsverlust und Entropie

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Das Wesen der Information - Teil II

Gehen wir auf die (auf der Vorseite) gestellte Frage ein, ob eine Informationsmenge in der Entropie oder ins Chaos verschwinden bzw. gänzlich vernichtet werden kann oder ob und wie ein Informationsverlust stattfindet. Diese Frage ist bei näherer Betrachtung nicht so eindeutig und leicht zu beantworten, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Vielleicht sollten wir aus diesem Grund erst einmal die Begriffe Informationsverlust und Entropie etwas näher umschreiben.
Der Begriff Entropie stammt ursprünglich aus den Bereichen der Thermodynamik und steht in diesem Fachbereich im Zusammenhang mit der unregelmäßigen Bewegung von Atomen. Später wurde dieser Begriff auf andere wissenschaftliche Gebiete ausgedehnt. Heute verstehen wir langläufig unter Entropie den Zustand des Chaos.

Ordnung, Chaos und EntropieDer Leser möge bedenken, entropiereiche Zustände sind wesentlich häufiger und wahrscheinlicher anzutreffen, als entropie- arme und somit geordnete Zustände. Ein geordneter Zustand ist arm an Chaos und verfügt somit über sehr wenig Entropie, er ist Entropiearm.
Ein geordneter, entropiearmer Zustand benötigt in der Regel viel Energie und Regie, letzteres als steuernde Prozesse, um diesen entropiearmen, nichtchaotischen Zustand aufrecht zu erhalten. Bildlich wird der Zustand von Ordnung oftmals durch ein regelmäßiges Mauerwerk symbolisiert und der vom Chaos durch einen Schutthaufen, zu dem das Mauerwerk mangels Reparaturarbeiten zerfiel.

Einige weitere Fragen. Was verstehen wir im allgemeinen unter Informationsverlust? Die Verringerung oder Vernichtung einer Informationsmenge oder die Verringerung der Informationsdichte, die Abnahme oder Vernichtung ihrer Wichtigkeit oder Wertigkeit? Womit und wonach bewerten wir eine Information und weisen ihr eine Größe zu, bevor wir mit ihr rechnen können?

In der digitalen Technik scheint es noch einfach zu sein. Bits und Bytes geben eine Größenvorstellung von der Informationsmenge. Doch Vorsicht, diese Menge gibt keine Auskunft über die Wichtigkeit, Wertigkeit oder Einmaligkeit einer Information. So bedeutet der Verlust einer unbrauchbar gewordenen CD noch keinen Informationsverlust, falls wir noch einige Kopien im Schrank zu liegen haben. Folglich sind Bits und Bytes absolut keine Maßeinheit, um der Frage nach der Wertigkeit einer Information näher zu kommen. Infolgedessen müssen wir noch einmal zu der Frage zurückkehren, was sind eigentlich Informationen?

In unserem täglichen Leben bestehen Informationen für uns in erster Linie aus allen was wir sehen, ertasten, hören, lesen, fühlen oder schmecken können. Diese Art von Informationen gehören zu dem Komplex, mit dem wir unsere Umwelt wahrnehmen, sowie uns verständigen können. Hinzu kommen noch weitaus mehr Informationen, die wir nicht direkt wahrnehmen, solange sie keine schmerzhaften Zustände bereiten, die jedoch für die Aufrechterhaltung unseres Lebens unerlässlich sind.
Wer macht sich nun jedoch darüber Gedanken, dass zum Beispiel Zahnschmerzen nur auf Informationen beruhen, die uns mitteilen, dass möglicherweise einer unserer Zähne von Karies befallen sein könnte?

Als weitere Gruppe an Informationen können wir den Teil betrachten, der das zwischenmenschliche Zusammenleben im Kleinen wie in der Gesellschaft regelt. Dann folgen Informationen über Naturgeschehen und über Abläufe, Zusammenhänge und Wechselwirkungen in und mit dem Universum.

Nehmen wir die Informationen, die unser tägliches Leben am meisten bewusst betreffen, so bedeutet Vergesslichkeit für den einen oder anderen unter uns bereits eine erhöhte Form des Informationsverlustes. Dieser Informationsverlust kann im Extremfällen und ohne Hilfeleistungen der Gesellschaft bis zur Lebensunfähigkeit des einzelnen Individuums führen, wie es im fortgeschrittenen Stadium von Alzheimer bei erkrankten Personen beobachtbar ist.

Handelt es sich hierbei nun rein wissenschaftlichen betrachtet um einen Informationsverlust im Sinne von Vernichtung von Informationen oder um einen Übergang in Entropie? Bei an BSE erkrankten Mitmenschen erfolgt eine Abnahme und Zersetzung der Hirnmasse, was im Entstadium zu einem scheinbaren eindeutigen Informationsverlust führt. Im medizinischen Sinne wurden lebenswichtige Informationen vernichtet. Und dennoch haben weniger schwere Fälle von an Alzheimer erkrankten Menschen durchaus eine hohe Lebenserwartung, insofern sie eine führsorgliche Betreuung erhalten.
Handelt es sich bei den betreuenden Personen um nahe Familienangehörige, so können wir davon ausgehen, dass nicht alle Informationen vernichtet wurden, welche die betreute Person zu ihren Lebzeiten sammelte. Ein großer Teil dieser zu Lebzeiten gesammelten Informationsmenge bleibt in der Erinnerung der Angehörigen weiterhin existent.

Ein weiteres Beispiel bringt dies noch mehr zum Ausdruck. Wenn ein Mensch verstirbt, werden dann auch alle Informationen vernichtet? Handelt es sich hierbei um einen eindeutigen Informationsverlust? Auch hierbei bleibt ein Teil der in der Spannweite eines menschlichen Lebens gesammelten Informationsmenge erhalten, teilweise in Form von Tausenden von Geschichten, die uns unsere Großeltern und Eltern zu Lebzeiten erzählten.
Das gesammelte Wissen dieser betreffenden Personen, in der Regel unsere Eltern oder andere uns zu Lebzeiten sehr nahe stehende Personen, geht nach ihren Ableben nicht einfach durch Informationsverlust verloren, sondern begleitet uns ein Leben lang weiter. Ihr Geist lebt sozusagen in uns fort.

Bei einer Reihe von Naturvölkern wurden auf diese Weise Informationen von Generation zu Generation weiter gegeben. Letztendlich beruht das soziale Leben einiger indigener Völker sogar heute noch zu großen Teilen auf derartige Überlieferungen. Es fand somit auch keine Vernichtung von Informationen und kein nennenswerter Informationsverlust statt. Um einen Informationsverlust handelte es sich hingegen, wenn zum Beispiel in Folge der Christianisierung das Wissen um heidnische Bräuche verloren ging. In diesem Fall wurden ältere (heidnische) Informationen durch neuere (christliche) ersetzt. Die Wertigkeit dieser verlorengegangenen Informationen kann als sehr hoch eingestuft wird.

Werden alte Informationen durch neuere Informationen ersetzt, so kommt es zu einem Informationsverlust. Ein Beispiel hierfür ist Quipu, die Knotenschrift der Inkas, die heute niemand mehr beherrscht. Die Informationsmenge hat sich in diesem Fall kaum verändert, da anstelle der alten Informationsübertragungsweise eine neue Übermittlungsmethode trat. Obwohl die Informationsmenge sich nicht verringerte, stieg die Wertigkeit einstiger Informationen erst durch den Verlust des Wissens um die Knotenschrift sprunghaft an. Nur handelt es sich im Fall der Knotenschrift um eine gefühlte Wertigkeit und nur äußerst bedingt um eine reale und berechenbare Wertigkeit, da wir nicht wissen können, ob sich mit Hilfe der entschlüsselten Knotenschrift größere Wissenslücken schließen ließen.

An Hand dieser Beispiele ist bereits zu sehen, so eindeutig lässt sich die Frage nach dem Informationsverlust und ab wann und in welchen Fällen eine Informationsmenge als vernichtet zu betrachten ist, gar nicht beantworten. Doch gehen wir im folgenden Beispiel noch einen Schritt weiter.

Der Einfachheit bleiben wir bei gesammelten Daten auf einer CD. Nur mit dem kleinen Unterschied, dieses mal existiert keine Kopie und es waren wichtige und einmalige Daten, sagen wir aus einer buchhalterischen Anwendung, die auf dem PC auch schon gelöscht wurde. Nun wird zu unserem Leidwesen auch noch durch ein Missgeschick die CD unbrauchbar.
In diesem Fall könnten wir nun sagen, es hat ein eindeutiger Informationsverlust stattgefunden, die gesammelten und gespeicherten Informationen wurden vernichtet. Hat sich jedoch auch die Informationsmenge verändert?
Nein, denn an der Stelle dieser vielen kleinen gesammelten und einmaligen, durch ein Missgeschick verlorengegangenen Informationen, tritt nun eine neue geballte Information, die Information über unser Missgeschick.

Zwischen den beiden Informationsgrößen besteht hierbei ein direkter Zusammenhang. Je mehr kleine einmalige Informationen uns verloren gingen, je größer, stärker und anhaltender wird die sich daraus gebildete Information, die Auskunft über dieses Missgeschick gibt, uns nachhaltig belasten. Anders ausgedrückt, die Informationsmenge hat sich nicht oder nur unwesentlich verändert. Viele kleine Informationen sind in den Zustand der Entropie entwichen, doch aus dem reich des Chaos erhielten wir dafür eine große Information zurück, die Information über das Missgeschick.

Wir können somit wohl beinahe behaupten, auch wenn einzelne Informationen in den Zustand der Entropie entweichen, so erhalten wir dafür jedoch auch aus der Entropie Informationen zurück. Zumindest in diesem Beispiel tun sich deutliche Parallelen zum Energieerhaltungssatz auf, nach dem Energie sich nur wandeln, jedoch nicht verloren gehen kann. Ist es am Ende mit dem Informationsverlust und der Informationsmenge ähnlich bestellt?

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